Wissenschaftlicher Hintergrund
Darwinistische Blackbox Selektion führt zur Resistenz gegen den eingeführten Parasiten Varroa destructor bei Honigbienen
Darwinistische Blackbox Selektion führt zur Resistenz gegen den eingeführten Parasiten Varroa destructor bei Honigbienen
Tjeerd Blacquie`re, Willem Boot, Johan Calis, Arrigo Moro, Peter Neumann, Delphine Panziera, Biological Invasions, 2019.
Dieses ist der wahrscheinlich wichtigste Artikel zum Thema. Hier wird beschrieben, warum wir die Natur in Form der natürlichen Selektion bei der Bienenhaltung mehr machen lassen sollten und wie der Aufbau einer varroaresistenten Bienenpopulation gelingen kann. Es ist ein Aufruf an die gesamte Imkerschaft, das beschriebene Verfahren anzuwenden.
Und… in Holland haben es bereits 3* geschafft! :-)
A survey of UK beekeeper’s Varroa treatment habits
Alexandra Valentine, Stephen J. Martin; PLOS ONE, 2023.
In England gibt es mittlerweile einen Landstrich in NW Wales, in dem keine Varroabehandlung mehr notwendig ist. Überhaupt ist das Bild der Varroabehandlung in Great Britain sehr divers, viel mehr als in Deutschland. Wir fragen uns was eine solche Untersuchung in Deutschland ergeben würde? Dieser Artikel wird in dem YouTube Video von Stephen Martin erläutert.
Norwegian honey bees surviving Varroa destructor mite infestations by means of natural selection
Melissa A.Y. Oddie, Bjørn Dahle and Peter Neumann, Peer Journal, 2017.
In dem Artikel wird eine norwegische Population beschrieben, die es über natürliche Selektion schon 1997 (!) , nachweislich über mehr als 17 Jahre geschafft hat, mit Varroa zu leben, ohne behandelt zu werden. Der Artikel beschreibt die Eigenschaften, die genau diese Bienen aktuell anwenden, um mit Varroa zu leben. In diesem Fall wird eine um 30% reduzierte Vermehrungsrate der Varroamilbe festgestellt. Grooming, also das gegenseitige Absammeln der Milben durch die Bienen und Varroa Sensitive Hygiene (VSH), also z.B. das Ausräumen befallener Puppen, unterscheiden sich nicht gegenüber der Kontrollgruppe.
Effects of local domestication warrant attention in honey bee population genetics
Zheguang Lin, Zhongxu Zhu, Mingliang Zhuang, Zhi Wang, Yi Zhang, Fuchao Gao, Qingsheng Niu, Ting Jim, Science Advances, 2023.
Ein spannender Artikel. Seit ca. 100 Jahren gibt es im fernen Osten von China eine isolierte Honigbienenpopulation (Apis mellifera carnica), die durch russische Siedler dort einmal hingebracht wurde. Während dieser Zeit wurden diese Bienen nicht in aktive Zuchtprogrammen - wie in Europa - einbezogen, sondern lediglich durch die individuelle Einwirkung der Imker über 100 Jahre verändert. Jetzt wurde untersucht wie sich diese Population genetisch gegenüber den europäischen A. m. carnica Populationen unterscheidet. Und es wurde auf Basis der natürlichen Veränderungsrate (Mutationsrate) berechnet, wie lange es gedauert hätte, wenn die festgestellten genetischen Veränderungen natürlich stattgefunden hätten.
Ergebnis: 100 Jahre Bienenhaltung hat die Gene dieser Bienenpopulation so stark verändert, wie 2,5 Millionen Jahre über eine natürliche Veränderungsrate.
Es sei erwähnt, das die klimatischen Verhältnisse in Dongbei/China sehr krass sind. Es herrschen dort 210 Tage Temperaturen unter 0°C. Die Bienen haben sich also auch an diese Bedingungen anpassen müssen.
Rapid parallel evolution overcomes global honey bee parasite
Melissa Oddie, Ralph Büchler, Bjørn Dahle, Marin Kovacic, Yves Le Conte, Barbara Locke, Joachim R. de Miranda, Fanny Mondet & Peter Neumann; Nature, Scientific Reports, 2018.
Sehr wichtiger Artikel in dem beschrieben wird, wie vier isolierte Populationen, die über den Weg der natürlichen Selektion entstanden sind und behandlungsfrei leben, es geschafft haben, mit Varroa zurecht zu kommen. Alle vier Honigbienenpopulationen haben sich sehr schnell in einer Weise verändert, dass sie ihr Verhalten gegenüber der Varroamilbe geändert haben.
Die hier untersuchten Populationen (2* Frankreich, Schweden, Norwegen) entfernen wesentlich häufiger die Verdeckelung der Puppen und erneuern sie später wieder, als in den untersuchten Vergleichsgruppen. Dieses als Recapping beschriebene Verhalten führt zu einer geringeren Vermehrung der Varroamilbe bei den resistenten vier Populationen und erklärt so das Überleben dieser Populationen. Ein “must read” Artikel für die, die verstehen wollen, WIE die Bienen es schaffen mit Varroa ohne Behandlung zu überleben.
Honey bee colonies that have survived Varroa destructor
Yves Le Conte, Gérard de Vaublanc, Didier Crauser, François Jeanne,
Jean-Claude Rousselle, Jean-Marc B´ecard; Apidologie, 2007.
Beschrieben wird eine Population Varroa “überlebender” Honigbienen ohne Behandlung in Frankreich. Die Population ist durch natürliche Selektion entstanden und im Durchschnitt überleben die Völker schon 6,5 Jahre ohne Behandlung. In diesem Fall wird von einem um 1,7 höheren Honigertrag bei den behandelten Vergleichsvölkern berichtet berichtet.
Declining genetic diversity of European honeybees along the twentieth century
Gonçalo Espregueira Themudo, Alba Rey‑Iglesia, Lucía Robles Tascón, Annette Bruun Jensen, Rute R. da Fonseca & Paula F. Campos; Nature, Scientific Reports, 2020.
Die genetische Vielfalt (Diversität) der europäischen Honigbienenrassen (A. m. carnica, A. m. italica) hat, im Vergleich zu der genetischen Vielfalt in historischen Bienen aus Museen der gleichen Rasse, in den letzten 100 Jahren abgenommen.
Es wird darauf hingewiesen, das diese beiden in Deutschland weit verbreiteten Bienenrassen jetzt stärker durch ökologische und vom Menschen beeinflusste negative Umweltbedingungen beeinträchtigt werden könnten. Weniger genetische Vielfalt führt zu einer geringeren Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen.
Die genetische Vielfalt wird durch bewusste oder unbewusste menschliche Zuchtwahl negativ beeinflusst. Dieses würde nicht passieren, wenn die Bienen mit wilden Honigbienen über Drohnen und Schwärme im genetischen Austausch wären. Aber in Europa gibt es nur sehr wenige wilde (ggf. ausgewilderte) Honigbienenpopulationen, so dass einer Reduzierung der genetischen Diversität unsere heutigen Honigbienen (carnica, italica) die Folge ist.
Untersucht wurden die Exemplare aus Museen, indem auf eine besondere Anreicherungsmethode von Genschnipseln gesetzt wurde, mit der es möglich ist, selbst verunreinigte (Schimmel, andere Insekten, Milben, Bakterien…), getrocknete Bienen aus Insektensammlungen hinsichtlich ihrer Genetik zu untersuchen.
Unsere Meinung: Wir benötigen wieder mehr wilde Honigbienen - dafür steht Freie Bienen e.V.!